Firmenbesuch SBB

mit Reto Germann und Bernhard Antweiler

16.00 Uhr Abfahrt nach Hogwarts Gleis 9¾

Glücklicherweise nicht ganz so dramatisch wie Harry Potters Reise in die Zaubererschule, aber immerhin ebenfalls auf einem nicht existenten Gleis im Bahnhof Olten hat unser Anlass begonnen!

Die Einlage war gut gewählt, denn das Rahmenprogramm führte uns in ein Projekt ein, das in vielen Belangen jedem Teilnehmer - und fahre er auch nur gelegentlich einmal mit der Eisenbahn - neben der heutigen Situation auch die künftigen Perspektiven der SBB im EUmfeld  mit den von Geisterhand pilotierten Zügen als Vision mit "magischem Touch" vor Augen führte.

 

Der Anlass gliederte sich wie folgt:

  1. Das künftige Fernsteuerkonzept der SBB bzw. das künftige SBB-Bedienkonzept
    Referent: Reto Germann, (Geschäftsbereich Betriebsführung, Division Infrastruktur SBB)
  2. Das Software-Konzept des ILTIS-LeitsystemsReferent: Hr. Bernhard Antweiler (Siemens Verkehrstechnik, Wallisellen)
  3. Besuch der Betriebsleitzentrale OltenHerr Krause, SBB

1. Das künftige Fernsteuerkonzept der SBB bzw. das künftige SBB-Bedienkonzept

Referent: Reto Germann, (Geschäftsbereich Betriebsführung, Division Infrastruktur SBB)

 

Allein schon der Druck des Wandels in den zugrundeliegenden Technologien (insbesondere der wachsende Aufwand für Wartung und Unterhalt) fordert von den SBB in der nächsten Zukunft tiefgreifende Betriebsanpassungen. Zusammen mit den Forderungen der Zeit (Global- bzw. Liberal-isierung, Konkurrenz der Strasse, wachsendes Transportvolumen im Personen- und Güterverkehr, zunehmender Sicherheitsbedarf, Komfortansprüche... etc) wird das Kostendach der Eigenwirtschaftlichkeit noch viel dramatischer durchstossen.

 

Zur Realisierung der Vision Bahn 200x musste somit zuerst eine auch für den laufenden Betrieb tragbare Staffelung der anstehenden Projekte in eine Folge von logischen Schritten zerlegt werden, die auch die technischen Rahmenbedingungen berücksichtigten. Kein triviales Unterfangen bei der heute bereits sehr weit fortgeschrittenen internen und externen (Ausland !) Vernetzung des Bahnbetriebs!

 

Das Projekt zur Automatisierung des gesamten SBB-Netzes (Kosten: 1 - 1.5 Mia CHF) verfolgt denn auch nicht primär Sparziele und den immer wieder in den Vordergrund gestellten Stellenabbau, es geht viel mehr darum, dem Zahn der Zeit die Stirn zu bieten, der - wie wir spätestens seit dem Besuch im Paketpostzentrum Härkingen wissen - im Hinblick auf den Jahrtausendwechsel nicht nur bei den SBB für Aufbruchstimmung verantwortlich ist.

 

Mit viel Pioniergeist wird heute an der Zukunft der Schweizer Eisenbahn gearbeitet. Noch sind nur die Konturen absehbar und doch können Erfolge - leider auch (zum Glück bislang aber nur temporäre) Misserfolge - im Detail bereits verbucht werden. Den Erfolg dieser Anstrengungen werden aber vermutlich auch in diesem Falle erst künftige Generationen beurteilen können. Verschiedene Bahnen anderer Länder beobachten die Anstrengungen der SBB gerade im Bereich des Betriebsleitsystems mit grossem Interesse und haben zT. bereits einzelne Standards übernommen.

 

Die Einführung eines neuen Betriebsleitsystems im Verkehrsnetz hat mindestens bezüglich der Organisation des Übergangs viel Ähnlichkeiten mit jenen Veränderungen die heute zB. im Internet mit der Einführung von IP6 (Internet Protokoll Version 6 - "das" mit uva dem erweiterten Adressraum) anstehen oder auch jenen, die wir seit einigen Jahren auf unseren Autobahnen mit den grossräumigen Baustellen ausstehen. Der Betrieb darf (bzw. sollte) nicht gestört - und schon gar nicht unterbrochen - werden und wenn an einer Stelle die Kapazitäten erhöht werden, dürfen andere Stellen dadurch nicht überlastet werden (Stausituationen !) etc. Die Umbauplanung muss auch technische Rückschläge miteinkalkulieren, sodass deren Auswirkungen auf den laufenden Betrieb minimal bleiben und die Qualität des Angebots nicht wesentlich beeinträchtigen. Überall dort, wo dies nicht gelingt, liegt bekanntlich das Aas der Sensationspresse.

 

Für das Montage-Personal, das diese Änderungen ausführt, heisst dies viel Nacht- bzw. Randstundenarbeit in behelfsmässig ausgerüsteten Arbeitsumgebungen.

 

Das mit 32 Fernsteuerzentralen und ca. 800 (Rangier-)Bahnhöfen sehr komplexe heutige Betriebskonzept 95 wird im Konzept 2000 erst einmal durch schrittweise Automatisierung auf 12 Technische Zentren reduziert. Davon ausgehend soll das Konzept 200x mit einer einzigen Netzleitzentrale und einer noch nicht genau spezifizierten Zahl von Betriebszentralen implementiert werden. Der Planungshorizont für das gesamte Projekt liegt im Jahr 2008.

 

Für die Leittechnik dh. auf der Ebene der Betriebszentralen wird das von der Firma Siemens Verkehrssysteme (früher: Integra-Signum, Wallisellen) in der Schweiz entwickelte System ILTIS (Integrales Leit- und Informations-System) eingesetzt. Auf der übergeordneten Netzleitebene dh. für die gesamtschweizerische Betriebsdisposition der SBB wird heute das System SURF (Système unifié de régulation ferroviaire) eingesetzt. Dieses wird durch die Zusammenführung der dispositiven mit operativen Ebene durch ein sich in Entwicklung befindendes System abgelöst.

 

Neben der dringend notwendigen, wesentlichen Vereinfachung der Führungsstrukturen im Netzbetrieb erwarten die SBB aber auch eine Verbesserung Ihres Angebots speziell in Bezug auf Qualität, Kapazitäten und Sicherheit, indem gerade durch diese Vereinfachungen das heute vorhandene Schienennetz wesentlich besser genutzt werden kann.

2. Das Software-Konzept des ILTIS-Leitsystems

Referent: Hr. Bernhard Antweiler (Siemens Verkehrstechnik, Wallisellen)

 

Iltis baut auf Compaq-Rechnern vom Typ Alpha mit dem Betriebssystem OpenVMS auf. Als Programmiersprache wird Ada eingesetzt.  

Die Leittechnik im Eisenbahnbetrieb ist das Prozess-Steuerungs-Instrument für den Zugsverkehr und ist als zentrales Bedienungs-, Anzeige-, Dispositions- und Automatisierungssystem mit einer Vielzahl von unterschiedlichsten Schnittstellen ausgelegt.

 

So wird auf der untersten Ebene der fahrende Zug über die Zugsbeeinflussung (ZUB) direkt angesteuert. Auf der mittleren "Betriebssicherungsebene" werden die einzelnen Signale, Weichen, Barrieren etc. Gestellt. Auf der darüberliegenden "Leitebene" sind ganze Stellwerke, die Zugsteuerung (Betrieb, Fahrplan etc.), die Depotverwaltung, die Systeme für die Fahrgastinformation etc zusammengefasst.

 

Das System Iltis wird heute bereits mit Erfolg für den Bahn-Betrieb der SBB im Bahnhof Biel, in der Region Vereinatunnel und speziell auch im Kt. Tessin und Teilen des Gotthard-Nordportals eingesetzt, wo der Bahnbetrieb der gesamten Region von nur noch 3 Personen gesteuert werden kann. Die Region Nordschweiz (Region Olten bis Basel) wird derzeit schrittweise auf Iltis umgestellt.

 

Etwas frustriert stellt Herr Antweiler zur Zusammenarbeit im Siemens-Konzern fest, dass die Zusammenarbeit mit den SBB sehr gut klappt, während die entsprechenden Arbeiten mit der Deutschen Bahn wesentlich mühsamer voran gehen, weil da immer die Direktion in Braunschweig ebenfalls noch etwas sagen will. (Viele Köche verderben den Brei?)

 

Nähere Informationen zum System ILTIS sind beim Referenten oder auf der Internet Site von Siemens ->> erhältlich.

3. Besuch der Betriebsleitzentrale Olten

Herr Krause  ( Bild 1 / Bild 2 )

 

Bei der Führung durch die Betriebszentrale der SBB in Olten erstaunte zunächst das "traute" Zusammenleben der älteren mit der neuen Technologie - der Garant für einen fliessenden Übergang des Betriebs. Sicher mit etwas Wehmut stellt der eingefleischte "Bähnler" fest, dass die beeindruckende und übersichtliche Kulisse mit den einzelnen Fahrstrassen und den vielen Lämpchen, die die Signal- und Weichenstellungen wiedergeben demnächst den nüchtern wirkenden Bildschirmen weichen wird.

 

Die Zusammenarbeit unter den Mitarbeitern im Steuerungsraum wird  in diesem neuen Umfeld wesentlich vereinfacht - und dies nicht nur durch die Reduktion ihrer Arbeitsstellen. Dabei stellt sich die Frage, wie das Mehraugenprinzip das sich bei den grossen Schalttafeln sehr einfach realisieren lässt, mit der neuen Technologie auf dieselbe Sicherheitsebene anheben lässt.

 

Kommentar  des Referenten Herrn R. Germann zu diesem Passus:  

-> Mit den neuen Systemen wird die Sicherheit eher noch angehoben. Das Mehraugenprinzip ist auch mit den Bildschirmen gewährleistet, da zum Teil auf verschiedenen Arbeitsplätzen die gleichen Bilder aufgeschaltet werden. Zudem unterstützt die neue Technik den Bediener bei Notbedienungen.

 

Obwohl laufend Ansagen durchgegeben werden, wirkt der Führungsraum sehr ruhig und gedämpft, sodass sich jeder Mitarbeiter voll auf seine Arbeit konzentrieren kann. Ansagen erfolgen künftig übrigens aus der Retorte und werden nicht mehr wie in diesem Zentrum von einer hübschen Betriebsleiterin vermittelt...

 

Gemäss Herrn Krause steht das Betriebsführungspersonal zur Zeit wegen der laufenden Umstellungen von Stellwerken zusätzlich stark unter Druck. Diese erfolgen stets in den gleichen 2 Stunden Nachts jeweils zwischen Samstag und Sonntag. Es kommt vor, dass das Personal vor Ort vorübergehend allfällige Fehler in der Fernsteuerung im sog. Ortsbetrieb (Handbetrieb) bis  zu deren Korrektur überbrücken muss.

 

Insbesondere für Neuanfänger dh. meist jüngere Mitarabeiter ist es immer wieder faszinierend, die Züge auf ihrer Fahrt "virtuell" zu beobachten. So ist auch nicht erstaunlich, dass sich vornehmlich die junge Generation von Betriebsführern rascher mit dem Betrieb und den ständigen Änderungen zurecht findt, als die älteren Kollegen. Durch das neue System werden nebenbei auch die Ausbildungszyklen wesentlich verkürzt.

 

Beruhigend stellt Herr Krause fest, dass ein Fehler allein praktisch keine kritischen Probleme auslösen kann - dramatisch wird es, wenn 2 Fehler in Folge geschehen!

 

Für die Kommunikation wird der Fernschreiber immer häufiger durch das interne Mail-System ersetzt. Diese Prozeduren für diese Umstellung laufen aber wegen ihrer Auswirkungen auf die Sicherheit des Betriebs nur langsam ab.